Eltern und Schwiegereltern

Eltern den richtigen Platz in der Beziehung geben

Meine Eltern sind die Richtigen! Foto: Keeping it real Es gibt kaum einen einfacheren Weg sich gegenseitig zu verletzen, als die Eltern des Anderen ins Spiel zu bringen. Dafür gibt...

Meine Eltern sind die Richtigen!

Foto: Keeping it real

Es gibt kaum einen einfacheren Weg sich gegenseitig zu verletzen, als die Eltern des Anderen ins Spiel zu bringen. Dafür gibt es mehrere Spielarten:

Kritik an den Eltern

Die meisten Menschen sind ihren Eltern gegenüber nicht gerade unkritisch. Wir haben viele Eigenschaften und Verhaltensweisen unserer Eltern kennen gelernt, die uns mehr oder weniger auf die Nerven gegangen sind. Doch eine Partnerin, ein Partner haben bei weitem nicht dasselbe Recht, so kritisch mit den Eltern des Anderen umzugehen. Sobald wir zur Kritik an den Eltern des Partners ausholen, sieht dieser sich in der Pflicht, die Ehre seiner Eltern, die Integrität seiner Familie zu verteidigen. Die Kritik an den eigenen Eltern erzeugt aus zwei Gründen Zorn:

  1. Dadurch dass meine Eltern kritisiert werden, wird meine Herkunft Frage gestellt und damit meine Daseins-Berechtigung angezweifelt. Durch Kritik an meinen Eltern wird mir der Boden unter den Füßen weggenommen. Das kann ich nicht zulassen und muss entsprechend heftig darauf reagieren.
  2. Dadurch dass meine Eltern kritisiert werden, werde ich in eine Solidarität mit ihnen gedrängt. Diese verlangt mir eine Nähe zu meinen Eltern ab, die meine erworbene Autonomie infrage stellt. Plötzlich werde ich wieder als Anhängsel meiner Eltern wahrgenommen, was ich nicht hinnehmen kann, denn ich bin ja ein erwachsener Mensch.

Vergleich mit den Eltern

Die Frau vergleicht den Ehemann mit ihrem Vater, der Mann vergleicht seine Frau mit seiner Mutter. Seltsamerweise kommt häufig genug der Partner, den wir freiwillig gewählt haben, deutlich schlechter weg, als die Eltern, von denen wir uns schon mit 15 eingeengt gefühlt haben.

Gleichsetzung mit den Eltern

„Du bist wie deine Mutter.” „Du bist wie dein Vater.” In den seltensten Fällen sagen wir so etwas, um positive Eigenschaften hervorzuheben. Diese Sätze dienen dazu abzuwerten. Sie implizieren den Vorwurf der Unreife, Unselbstständigkeit, der mangelnden Autonomie. Und da Vorwürfe dieser Art immer ein Korn Wahrheit enthalten, sind sie schwer zu fassen zu kriegen, fast unmöglich zu entkräften und provozieren somit einen handfesten Streit.

_Mutters Sohn und Vaters Tochter haben sich fürs ganze Leben nicht das Jahr doch das Jein vor dem Traualtar gegeben.

Hinter ihr steht Vaters macht hinter ihm sein Mütterlein auch ins Bett zur Hochzeitsnacht steigen beide mit hinein._

Ausschnitt aus einem Gedicht von Norbert J. Mayer, einem von mir geschätzten initiatischen Therapeuten.

An der Autonomie von unserem Elternhaus haben wir ein Leben lang zu arbeiten.

Als Jugendliche gilt es zunächst überhaupt ein eigenes Bild von der Welt und einen eigenen Standpunkt in der Welt zu entwickeln. Dieser ist zunächst häufig besonders konträr, damit sichtbar wird, dass er anders ist. Im Laufe der Zeit muss eine gelernte Einstellung nach der anderen auf den (inneren) Prüfstand, um dann bestätigt, verworfen oder adaptiert zu werden.

Solange dies nicht geschieht, sind Konflikte wie die oben beschriebenen an der Tagesordnung. Ich vermute, dass jemand, der sein Erwachsenenleben in großer Konformität begonnen hat, mit größerer Wahrscheinlichkeit in o. g. Konflikten landet, als jemand der von Anfang an bemüht war, einen eigenen Lebensentwurf zu finden. Aber das ist erst einmal eine Arbeits-Hypothese.

Es gibt verschiedene Umbrüche im Leben, in denen die Einstellungen der Eltern verstärkt aktiviert werden. Das sind im Besonderen der Beginn einer Beziehung, die Gründung eines gemeinsamen Haushalts, die Eheschließung und die Geburt von Kindern.

Unsere Eltern waren unsere ersten Informanten darüber wie man Beziehung führt und wie man mit Kindern umgeht. Für lange Zeit waren sie auch die einzigen. Ihre Vorgehensweisen unterteilen wir mehr oder weniger in zwei Pakete: Hier alles, was ich genauso machen möchte wie ich es von zuhause kenne, und dort alles was, ich auf jeden Fall ganz anders machen möchte.

In einer Paarbeziehung kommen zwei Menschen mit je zwei Paketen zusammen, und abhängig von den Unterschieden, die darin enthalten sind, bergen diese Pakete erheblichen Konfliktstoff.

Stellt nun einer von beiden die Haltung des anderen infrage (beispielsweise in der Kindererziehung oder Haushaltsführung), wird -- ohne dass wir wissen, was geschieht -- der Verteidigungsmechanismus des Herkunftssystems aktiviert. Das ist das, was in dem Gedichtsausschnitt oben beschrieben wird.

Autonomie in drei Schritten

  • Machen Sie eine Liste von Einstellungen, die sie von ihren Eltern gelernt haben. Es spielt keine Rolle wie Sie diese Einstellung bewerten. Es geht in diesem ersten Schritt lediglich darum, sich bewusst zu machen, welche Werte wir mehr oder weniger stillschweigend und kritiklos aus der vorigen Generation übernommen haben.
  • Gehen Sie die Liste Punkt für Punkt durch und notieren Sie, wie sie darauf reagieren, wenn jemand gegen diese Einstellung verstößt.
  • Nehmen Sie für jeden Punkt in Anspruch, eine andere Einstellung als die von Ihren Eltern gelernte haben zu dürfen. Wenn Sie sich diese Erlaubnis gegeben haben, notieren Sie die erneuerte Einstellung. (Sehr gewagt: Manchmal hilft es bei dieser Übung sich vorzustellen, dass die Eltern nicht mehr am Leben sind.)

Extra: Der Austausch über diese Übung kann ein sehr erhellendes Erlebnis für eine Paarbeziehung sein.

© 2005 - 2024  Partnerwerk | Henning Matthaei